ALCOVIT 455

Stallbau aktuell:

Einblicke in die Milchviehhaltung in
Ost-(D) und West-(NL) Friesland

Endlose Wiesen mit weidenden Kühen und eine stetige „steife Brise“, so stellt man sich das Land an der Küste vor. Dorthin, nach Friesland, genauer gesagt nach Ostfriesland in Deutschland und in die Provinz Friesland in den Niederlanden, führte die diesjährige Baulehrfahrt der Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Bauwesen Rheinland-Pfalz/Saarland.

Wiesen und Weiden sind dort das Rückgrat der Betriebe. Bei bis zu sieben Schnitten im Jahr werden dort 15-16 t TS Grünfutter pro ha geerntet. Ackerland ist hier dagegen Mangelware. So zum Beispiel auf dem Betrieb von Jan und Amos Venema aus Jemgum an der Ems. Dort, hinter dem Ems-Deich, in der Nähe der für den Bau großer Kreuzfahrtschiffe bekannten Mayer-Werft in Papenburg, bewirtschaften die beiden Brüder 113 ha.

Davon gerade einmal 6 ha Acker. Außerdem liegen von den 107 ha Grünland insgesamt 91 ha in Wasser- bzw. Vogelschutzgebieten. Dort kann nur eingeschränkt bewirtschaftet und gedüngt werden. Klar, dass dies zur Fütterung der 175 Milchkühe (durchschnittliche Leistung 9.500 kg) und der dazugehörenden weiblichen Nachzucht nicht ausreicht. Deswegen ist der Maissilage-Kauf von rund 1.000 t pro Jahr auch ein großer Posten bei der Futterbeschaffung.

Zu Gast bei Amos aus Ostfriesland

AmosDie Milchkühe stehen in einem mehrteiligen Boxenlaufstall. Der Wartebereich und der Melkstand befinden sich unter einem Dach, der Futtertisch und die Liegeboxen unter dem zweiten Dach. Die Mehrhäusigkeit war eine Bauauflage der Umweltbehörden zum Vogelschutz. Ein einhäusiges, und entsprechen höheres Gebäude hätte die Flugrouten der Vögel gestört. Amos Venema ist im Nachhinein aber auch sehr zufrieden mit dieser niedrigen und kostengünstigen Bauweise.

Auf dem Betrieb Venema wird jedoch nicht nur viel Wert auf eine rentable Milchviehhaltung gelegt. Hier macht man sich auch sehr viele Gedanken über die Außendarstellung der Landwirtschaft. Amos Venema, der regional auch als Amos aus Ostfriesland bekannt ist, betreibt mit einigen Berufskollegen aus Niedersachsen die Internetseite www.mykuhtube.de. Auf „My Kuh Tube“ kann man die niedersächsischen Milchbauern bei der Arbeit begleiten. Wöchentlich gibt es dort zwei neue Videos um der Bevölkerung die Welt rund um die Kuhställe zu erklären.

Betrieblich planen Amos und Jan in den nächsten Jahren den Stall zu erweitern, so dass die Kuhzahl bis über 200 gesteigert werden kann.

Der Feldhof der Gebrüder Garrelts

Dass der Familienbetrieb auch bei wachsenden Betriebsgrößen und Kuhzahlen in der Milchwirtschaft kein Auslaufmodell ist, beweisen auch die Gebrüder Garrelts aus Filsum. Filsum liegt im Landkreis Leer ca. 50 km von der Nordseeküste entfernt. Auch hier dasselbe Bild wie bei den Venema‘s. Die 160 ha die bewirtschaftet werden sind Sand, Moor und Flussmarschen. Das schränkt den Ackerbau natürlich ein, ist aber ideal fürs Grünland.

Die Gebrüder Garrelts, das sind Johannes und Jan-Berend, die beiden Betriebsleiter der „Feldhof Garrelts GbR“. Der dritte im Bunde, Remke, ist nebenberuflich für das Herdenmanagement zuständig und im Hauptberuf für den Landeskontrollverband Weser-Ems tätig. Daneben arbeiten Vater und Mutter Garrelts, eine Auszubildende und eine Aushilfe im Betrieb mit. Insgesamt stehen dem Betrieb 4,2 AkH zu Verfügung.

Die Garrels haben sich entschlossen, in die Milchviehhaltung zu investieren, und einen neuen Stall für 270 Kühe zu bauen. Dazu wurde der am Ortsrand von Filsum gelegene Betrieb, der in der Vergangenheit gepachtet war, gekauft. Auf dem in der Ortsmitte gelegene Stammsitz der Familie findet weiterhin die Jungviehaufzucht statt. Auf dem Standort in der Ortsrandlage entstand 2013 ein neuer 2 x 3 reihiger Boxenlaufstall. Das separate Melkhaus mit angeschlossenem Reprostall beherbergt einen 2 x 16 Side-by-Side Melkstand der Firma Delaval.

Sand-Absetzbecken Seilzuglampe

2 x 16 Melkstand

Sand-Absetzbecken Seilzug-Beleuchtung 2 x 16 Melkstand

Im neuen Laufstall haben sich die Garrelts für mit Sand eingestreute Tiefboxen entschieden. Das stellt natürlich große Anforderungen an die Stalltechnik, vor allem an die Entmistung. Schieber befördern die Gülle in einen Querkanal, dieser wird mit einer Gülledruckleitung gespült. Die Gülle gelangt anschließend in ein Absetzbecken. Periodisch wird dann die Gülle in den Güllehochbehälter gepumpt. Hat sich genügend Sand im Absetzbecken angesammelt, so wird dieser mit einem Bagger herausgenommen und auf den eigenen Flächen ausgebracht.  Die Entscheidung für Sand als Einstreumaterial fiel bei den Garrelts vor allem aufgrund der Kosten. Dort an der Küste ist Sand in Hülle und Fülle vorhanden und jederzeit günstig zu bekommen, ganz im Gegensatz zum knappen und teuren Stroh. Pro Jahr werden momentan insgesamt 500 m³ Sand benötigt. Alle 14 Tage wird mit feuchtem Sand nachgestreut.

Auch bei den Garrelts schaut man optimistisch in die Zukunft und will die bisherige Leistung von 9.500 kg weiter steigern. So sollen die für 2014 angepeilten 2,5 Mio. kg abgelieferte Milch in 2015 auf 3 Mio. kg gesteigert werden.

In der niederländischen Provinz Friesland ist die Situation ähnlich. Auch hier dieselben natürlichen Voraussetzung mit schier endlosem intensiv genutzten Grünland.  Auch die Praktiker im Norden der Niederland setzen voll und ganz auf die Milcherzeugung. In Koudum in Sichtweite zum Ijsselmeer liegt der Betrieb der Familie Stokman. Anton, der Betriebsleiter stand 1996 vor der Herausforderung die Milchviehhaltung auszubauen. Nach anfänglichem Zögern wollte er es mit dem damals noch neuen System des Melkroboters probieren.

Der damals hohen Preis für diese Technik schreckten jedoch ab und so ging er auf die Suche nach Berufskollegen. Schließlich fand er 9 weitere investitionswillige Milchbauern, die ebenfalls einen Melkroboter kaufen wollten. Der für 10 Maschinen gewährte Rabatt erleichterte die Entscheidung für einen Roboter und so standen wenig später auf 10 Betrieben in Friesland Roboter der Marke Lely. Ein schöner Nebeneffekt dieser Einkaufsgemeinschaft: Man lernte voneinander und miteinander diese neue Melktechnik zu beherrschen und konnte sich auch gegenseitig aushelfen.

McDonald’s Flagship Farm Stokman in Koudum (NL)

Anton Stokman hat die Entscheidung für dieses Melksystem bis heute nicht bereut. Ganz im Gegenteil, außer dem Zugewinn an persönlicher Flexibilität sieht er den größten Vorteil darin, dass der Kuh die freie Wahl ermöglicht wird.

Wann sie zum Melken kommen, wann sie sich hinlegen oder auf die Weide geht bleibt weitestgehend den Kühen überlassen. Dieses „free choice“-System hat Anton Stokman dann auch zusammen mit vier anderen Landwirten aus der Gegend aufgegriffen und verfeinert.

In Anlehnung an die Einkaufsgemeinschaft für die ersten Roboter haben sie ein Betriebssystem entwickelt, dass sie „free choice dairy farming“ nennen. Mit Fachleuten wurde der dazu passende Stall entwickelt, der auch noch die Emission von Ammoniak um 30% gegenüber herkömmlichen Ställen reduziert. Dieser Stall wurde in Abwandlungen dann 4-mal in Friesland gebaut.

Auf dem Betrieb der Familie Stokman wurde ein Stall für 260 Kühe mit 4 Lely- Roboter als 2 x 3 Reiher gebaut. Die Kühe haben Zugang zu 15 ha Weide am Stall. Auf der Weide wurde sogar ein Kuhbad geschaffen, das die Kühe während der Sommermonate dankbar annehmen.

Dass dieses System durchdacht ist, zeigt die gemolkene Leistung von 9.400 kg. Die Milch von Anton Stokman geht an die Molkerei Friesland Campina und wird dort unter anderem zum McDonalds Produkte verarbeitet. Dies und der hohe Kuhkomfort sowie die offene Betriebskultur der Stokman‘s führten dazu, dass der Betrieb Stokman als „McDonald’s Europe Flagship Farm“ – ein Vorzeigebetrieb von McDonalds ausgezeichnet wurde.

Wie auf allen besuchten Betrieben denkt auch Anton Stokman über eine Betriebsaufstockung nach. Im alten Stall, der bisher als Jungvieh-stall genutzt wurde, will er einen fünften Melkroboter einbauen. In die Zukunft blickt er dabei positiv und rechnet nicht mit großen Veränderungen beim Milchpreis aufgrund des Wegfalls der Milchquote

Armin FUCHS
Agraringenieur

 

 McDonald´s Flagship Farm Stokman in KoudumMcDonald´s Flagship Farm Stokman in Koudum.


 

 

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