Stallbau aktuell:

Melken im Swing-Over-Melkstand: In kurzer Zeit kostengünstig viele Kühe melken

 

Vor etwas mehr als zwei Jahren haben die Milchkühe von Daniela und Thomas Eiden in Biesdorf, etwa 10 Minuten von der Sauerbrücke in Wallendorf oder Dillingen entfernt, ihr neues Zuhause in Form eines mehrhäusigen Milchviehstalls bezogen. Der Neubau umfasst neben dem Milchviehstall mit Laufhof das Melkhaus, eine überdachte Mistplatte, zwei Fahrsilos mit je 1.300 m3 Inhalt sowie einen Güllebehälter mit 2.500 m3 Inhalt. Dieser Artikel umschreibt die gesammelten Erfahrungen im Bereich Melktechnik.

Der Grundriss eines Milchviehstalls wird wesentlich von der geplanten Melktechnik beeinflusst. Werden Melkroboter geplant, so werden diese häufig in die Stallhülle des Liegebereichs integriert, um Wege kurz zu halten. Klassische Melkstände, sei es ein Gruppenmelkstand oder das Melkkarrussell, erhalten jedoch meist ein separates Melkgebäude, das durch die Kühe über den Wartehof erschlossen wird, und anschließend über einen Rücktrieb wieder zurück in den Stall führt. Auch die Anbindung von Sonderbereichen wie Strohbereiche oder Selektionsmöglichkeiten müssen optimal an den Melkstand angebunden sein, um beim Melken möglichst geringe Aufenthalte durch Sondergruppen zu provozieren. Da sich der Strohbereich mit 24 Plätzen in einer bestehenden Halle befindet, war diese maßgeblich für den Grundriss des gesamten späteren Stalls verantwortlich, konnte aber mit Hilfe durchdachter Anordnung von Schwenktoren, ohne Kompromisse bei der Erschließung durch die Kühe eingehen zu müssen, in den Neubau integriert werden.

Neue Wege mit Swing-Over
Bei der Melktechnik wurde sich für einen 24er Swing-Over-Melkstand des Herstellers BouMatic, vertrieben und montiert von der Firma Melkzenter in Angelsberg, entschieden. Neben einer Tiererkennung und der Milchmengenmessung hilft die Milchleitfähigkeitsmessung, die Messung der Fressaktivität und Brunsterkennung, Gesundheit und Leistung der Milchviehherde zu optimieren. Das Melksystem selbst, bei dem ein Melkzeug im Wechsel von zwei sich gegenüber liegenden Melkplätzen benutzt wird, war uns vorher nicht bekannt. In der Fachliteratur und im Gespräch mit Kollegen wurde dem Swing-Over-Melkstand allerdings in jedem Fall ein kostengünstiges Melken bei hoher Melkleistung attestiert, wovon wir uns im Vorfeld bei Besuchen von neun Melkständen dieser Bauart, von denen wir in sieben Melkständen sogar über eine Melkzeit mit gearbeitet haben, überzeugen konnten. Skeptisch waren wir zunächst, weil die Milch in die Milchleitung über der Melkgrube gemolken wird, was grundsätzlich ein höheres Vakuum und somit eine höhere Beanspruchung der Zitzen bedeutet. Die Praxis bestätigte diese Bedenken jedoch nicht, der mittlere Zellgehalt der abgelieferten Milch liegt im Schnitt der vergangenen zwei Jahre unter 150.000, die Neuinfektionsrate für Mastitis in der Laktation knapp über 10%. Die Software des Melkstands ist für die Auswertung der während des Melkvorgangs generierten Daten zuständig. Neben Daten wie Milchleistung und Milchfluss kann z.B. die Auswertung der Melkdauer dazu beitragen, die Zeit zwischen Anrüsten und Beginn des Melkvorgangs zu optimieren, damit möglichst wenig blind gemolken wird, umgekehrt aber die Dauer der Ausschüttung von Oxytocin optimal zu nutzen.

Hersteller unterstützt bei Optimierung
Für die Optimierung des Melkvorgangs bietet BouMatic den Besuch durch einen Melkberater und zusätzlich permanent aktuelle Online Seminare an. Daraus resultiert für uns bisher, dass wir die 24 Milchkühe, die hintereinander im Melkstand stehen, in Einheiten von 2 mal 12 Kühen vormelken und anschließend das Melkzeug anhängen. Eine Vormelkautomatik gibt es nicht, gemolken wird im Wechseltakt mit 45 kPa. Die Melkroutine besteht aus Vormelken von drei Milchstrahlen je Zitze. Vorgemolken wird mit beiden Händen, was die Vormelkzeit für die 12 Tiere soweit reduziert, dass man zur richtigen Zeit wieder bei der ersten Kuh ist, um das Melkzeug anzuhängen. Anfangs wurde mit Einheiten von 4 mal 6 Kühen und später dann mit 3 mal 8 Kühen experimentiert, das Optimum liegt unter den aktuellen Bedingungen allerdings bei den besagten 2 mal 12 Kühen, was mit Hilfe der Auswertung des Milchflusses je Einzelkuh eindeutig belegt werden kann. Die Vakuumfreigabe zum Anhängen erfolgt durch kurze Entlastung des Abnahmeseils, an dem das Melkzeug hängt. Zuvor wird der Swing-Over-Arm, an dem neben der Schlauchführung auch der Abnahmezylinder und das Bedienteil des jeweiligen Melkzeugs angebracht sind, zur angerüsteten Kuh geschwenkt. Beim Schwenkvorgang erfolgt im Bedienteil automatisch das Umschalten des Melkplatzes. Das Melkzeug vom Typ FloStar Max hat ein Gewicht von nur 1650g, was sehr zur Entlastung des Melkers beiträgt und zudem sehr robust gebaut ist. Die Bauform des Sammelstücks erlaubt es, das Melkzeug an den beiden vorderen Melkbechern festzuhalten, ohne gleichzeitig Luft durch die beiden hinteren Melkbecher anzusaugen. Dieses Merkmal trägt ebenfalls dazu bei, hohe Durchsätze beim Melken zu erzielen, da die Melkbecher so ebenfalls mit zwei Händen angesetzt werden. Erst die beiden vorderen Melkbecher, dann die beiden hinteren.

Die Kühe sind in einer steilen Fischgräte im Melkstand aufgestellt, die Grubenkante ist gewellt, was für die Arbeit mit zwei Händen gleichzeitig am Euter obligatorisch ist, da man so einen halben Schritt näher am Euter steht. Nach dem Melken wird jede Zitze einzeln gedippt, bevor die Kühe hintereinander den Melkstand verlassen. Einen Schnellaustrieb gibt es nicht, macht nach unseren Erfahrungen aber auch keinen Sinn, da der schnellere Gruppenwechsel hier keine Beschleunigung der gesamten Melkzeit mit sich bringt, da die Melkzeuge ja systembedingt erst auf der gegenüber liegenden Seite gebraucht werden, bevor sie wieder umgeschwenkt werden können. Mit Anrüsten und Melken ist eine Person beschäftigt. Eine zweite Person kümmert sich nach dem Vortreiben der Kühe aus dem Stall in den Wartehof und der Boxenpflege um das Dippen und den Gruppenwechsel. In der Praxis wird eine Melkstandseite gemolken, während auf der anderen Seite gedippt wird und der Gruppenwechsel stattfindet. Werden die letzten Melkzeuge einer Seite angehängt, sind die ersten Plätze bereits wieder frei und können nach dem Anrüsten auf die andere Seite zum Melken geschwenkt. Die Zeit nicht melkender Melkzeuge ist so aufs Geringste reduziert, wodurch eine durchschnittliche Melkleistung von 120 Kühen in der Stunde problemlos realisierbar ist.
Kannenkühe vom Strohbereich werden als erste in den Melkstand gebracht und anschließend direkt wieder in den Strohbereich selektiert, damit Milch zum Tränken der Kälber bereits während der Melkzeit zur Verfügung steht. Die Herde besteht aus zwei Leistungsgruppen, die jedoch gemeinsam in den Wartehof gebracht werden. Im Wartehof befindet sich ein Seilzugschieber mit einem darauf montierten Gitter zum Vortreiben der Kühe und anschließenden Reinigen des Wartehofs. Nach dem Melkstand werden die gemolkenen Tiere mit Hilfe von Selektionstoren wieder in ihre Gruppen selektiert. Außerdem besteht die Möglichkeit, in den genannten Strohbereich, in eine Sammelbox vor dem Klauenstand und in einen Sonderbereich mit acht Liegeboxen für brünstige Kühe zu selektieren. Die Selektion erfolgt je nach Bedarf vom Bedienteil aus dem Melkstand heraus, manuell vom PC, z.B. bei einer geplanten Umgruppierung oder Trockenstellen oder aber automatisch aufgrund der Brunsterkennung oder mangelnder Fressaktivität.

Details in Kürze:
Zum Komfort für Melker und Kühe tragen Gummimatten auf den Böden bei. Auf der Standfläche der Kühe ist ein Anteil des Gesteins Korund in die Matte eingearbeitet, damit der Boden dauerhaft komfortabel und rutschsicher bleibt, um Stress bei den Umtrieben so gering wie möglich zu halten. Die Wände sind mit Epoxidharz beschichtet, um diese beim täglichen Reinigen leicht säubern zu können. Gesäubert wird mit dem 2. und 3. Spülgang der Melkstand-Spülung mit Hilfe einer Druckerhöhungspumpe. Tageslicht gelangt über den 2m breiten Lichtfirst und das seitlich angebrachte Hubfenster ins Innere des Melkgebäudes. Reicht das nicht aus, werden LED-Leuchten zugeschaltet. Die Melkgrube ist 20m lang und 7m breit, jeder Rücktrieb hat ein lichtes Maß von 90cm. Weiteren Zahlen und Details werden in einem gesonderten Beitrag erörtert.

 

Fotogalerie Foire Agricole 2023