10 Fragen an den neuen LWK- Präsidenten Christian Hahn

Zur Person: Christian Hahn, in Landwirtschaftskreisen bestens bekannt als „Kiki“, ist 40 Jahre alt und stammt aus Roodt/Ell. Er führt einen landwirtschaftlichen Betrieb, den er neben Rindfleisch und Milchproduktion auf den Anbau von Kürbissen spezialisiert hat. Schon immer war er politisch aktiv und hat sich für die Landwirtschaft eingesetzt. Die ALCOVIT-Redaktion hat die Chance genutzt, um bei dem neuen Kammerpräsidenten den Puls zu fühlen und ihm einige Fragen zu stellen.

 

1. Welche Vision haben Sie für die zukünftige Entwicklung der Landwirtschaftskammer?
Meine Vision ist es, mit der neuen Landwirtschaftskammer, die gesamte Landwirtschaft zu vertreten und den Landwirten etwas zu bieten. Den Betrieben durch Hilfestellungen besser und früher unter die Arme zu greifen um sie auf die kommenden Hürden aufmerksam zu machen. Es ist mein Ziel, dass die Landwirte einen direkten Draht zur Kammer haben und ihren Nutzen spüren. Ein Aspekt, der mir sehr am Herzen liegt, wäre eine Art „Sandweiler“ für den Betrieb zu gestalten. Indem man den Betrieben bei ihren administrativen Hürden geschultes Personal zur Verfügung stellt, das den Betriebsleitern bei Kontrollen usw. zur Seite stehen könnte, um besser und schneller agieren zu können.

2. Wie planen Sie, die Aufgaben und Missionen der LWK zukunftsfähig aufzustellen?
Die neue LWK hat die Chance mit den 15 Gewählten und 15 Reservisten sehr breit aufgestellt zu sein und ein breites Spektrum abzudecken. Viele Betriebssparten sind in der neuen Plenarversammlung vertreten. Es ist vorgesehen in Zukunft mehr Arbeitskreise und Gruppen zu den verschiedenen punktuellen Themen zusammenzustellen, in denen sich aktive Landwirte beteiligen sollen. So können wir viele Meinungen zusammenführen und punktuell und zeitgemäß auf neue Maßnahmen Einfluss nehmen. Je mehr Meinungen in unsere Texte mit einfließen, desto detaillierter und kompletter können unsere Stellungnahmen zu Gesetzestexter verfasst werden und so werden weniger Details vergessen.

Weiter müssen wir die Arbeit der LWK besser nach Außen vermitteln. Oft merken die aktiven Landwirte nicht, welche Arbeit die Kammer leistet und können sich dadurch nicht damit identifizieren. Im Ausland sind die Landwirtschaftskammern oft eine der ersten Anlaufstellen, dies müssen wir auch hinbekommen und mit diversen Aktionen aufbauen. Momentan habe ich viele Ideen, die mir durch den Kopf gehen, so zum Beispiel anhand von kleinen Videosequenzen oder einem Kalenderbuch, indem alle notwendigen Termine festgeschrieben sind, die Landwirte über ihre Pflichtaufgaben informieren.

3. Welche Maßnahmen ergreifen Sie, um junge Menschen dazu zu ermutigen, in die Landwirtschaft einzusteigen und den Beruf des Landwirts zu wählen?
In meinen Augen haben wir den interessantesten Beruf den es gibt. Wir müssen aber die Rahmenbedingungen verbessern. Die meisten Junglandwirte, die sicherlich mit Herz und Seele ihre Berufung ausführen, schrecken vor den administrativen Hürden zurück. Wir müssen den Kader der Betriebsübernahme anders und einfacher gestalten. Oft haben die jungen Leute Angst, aufgrund der vielen oft parzellenabhängigen Vorschriften, einen kapitalen Fehler zu begehen. Ein wichtiger Punkt wird hier die Digitalisierung sein. Alle jungen Leute sind heutzutage 24/24 in der digitalen Welt unterwegs. Dies müssen wir nutzen und ausbauen. Es wird in Zukunft wichtig sein, dass wir viele alltägliche Arbeiten digital interessant und als Selbstläufer gestalten, um den Beruf weiter zu bringen.

Ein weiterer Aspekt ist die fehlende Planungssicherheit, die wir ganz klar verbessern müssen. Wir müssen den jungen motivierten Menschen die Ungewissheit nehmen und ihnen eine Art „Bestandsschutz“ ihres Projektes sichern. Die Arbeit der LWK muss es sein, zu diesem Thema Überlegungen und Reflektionen in die Diskussionen mit den zuständigen Ministerien einzubringen.

4. Eine große Angst vieler Jungunternehmer ist sicherlich der geringe Arbeitslohn in der Landwirtschaft. Welche Ideen haben Sie, um diese Challenge zu meistern?
Ein Punkt, den wir in Zukunft überdenken müssen, wäre die jährlich ausbezahlten Prämien einem Index anzupassen. Dies wird sicherlich auf EU-Ebene eine sehr intensive Diskussion, man könne aber die Prämien der 2. Säule zum Beispiel anpassen. Anders könnte man es bei den Investitionsbeihilfen auf den Weg gehen, bei Neubaumaßnahmen den Bauindex zu berücksichtigen.

Des Weiteren könnte man sich ein Instrument geben, die im Agrargesetz vorgesehen Einheitspreise in gewissen Abständen anzupassen falls nötig. Eine andere Herangehensweise, die ich in den Raum werfen will, wäre die Prämien, die den Landwirten gezahlt werden, um Umweltmaßnahmen durchzuführen, die der Allgemeinheit dienen, steuerfrei zu gewähren. So würden die Betriebe von einer Steuerbefreiung profitieren und dies wäre ein weiterer Anreiz an gewissen Umweltprogrammen teil zu nehmen.

5. Die Altersgrenze von 72 Jahren ist aktuell in aller Munde. Wie stehen Sie zu dieser Thematik?
Diese Problematik liegt in meinen Augen primär in unserem sehr komplexen Pensionssystem. Wenn jeder, der seine landwirtschaftliche Tätigkeit aufgibt, eine angemessene Rente erhalten würde, wäre keiner auf die Prämien weiter angewiesen. Für mich ist ganz klar, dass das Pensionssystem komplett auf den Leist genommen werden muss und wir in dieser Thematik für die Zukunft einen Umschwung brauchen. Es wird eine unserer Rollen sein, die Betriebe besser über dieses Thema aufzuklären, um diese Problematik in Zukunft zu umgehen. Allerdings müssen wir uns bewusst sein, dass wir nicht alles auf einen Schlag auf den Kopf gestellt bekommen und dies langjährige zähe Dossiers sind.

6. Welche Strategien verfolgen Sie, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirte sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zu stärken?
Die Marktpreise können wir weder national noch international steuern. Wir stellen aber immer wieder fest, dass die luxemburgischen Lebensmittel unter vielen Auflagen produziert wurden, in den Lebensmittelläden oft neben den gleichen Produkten liegen, die unter viel weniger strengen Auflagen produziert wurden und auch noch billiger angeboten werden. Sinnvoll wäre es, auf EU-Ebene sich gegenüber dem EU-Ausland klar zu den Produktstandards zu positionieren und somit alle in die EU importierten Lebensmittel mit einer Importtaxe zu belasten. Auf dem Weg, würden die nationalen Lebensmittel in den Mittelpunkt gerückt und die nicht EU-Länder müssten kurz- oder langfristig ihre Produktionen an unsere Standards anpassen.

7. 20% Bio, ist dies in Ihren Augen sinnvoll bzw. wie ist dies überhaupt zu schaffen?
Es ist ein sehr utopisches Ziel, einfach eine Zahl in den Raum zu werfen. Wir müssen auf den Weg gehen, im Biobereich die Sparten zu fördern und auszubauen, in denen wir einen gesicherten Absatz haben. Die angesprochene Steuerbefreiung könnte eventuell auch im Biobereich ein Instrument sein, einige Betriebe zur Umstellung ihrer Produktion zu inspirieren. Des Weiteren liegt es mir nahe, den Spalt zwischen konventionell und bio auf keinen Fall weiter auseinander zu treiben, sondern in meinen Augen haben beide Produktionsrichtungen positive Aspekte die schlussendlich zum gleichen Ziel führen.

8. Welche Rolle sehen Sie für die Landwirtschaft bei der Erreichung von Nachhaltigkeitszielen, insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Biodiversität und die Reduzierung von Emissionen?
Die Landwirtschaft dient im Grund dazu Lebensmittel zu produzieren, denn diese braucht jeder. Trotzdem müssen wir als Landwirte unsere Umwelt schützen. Die Landwirtschaft hat nichts davon, die Umwelt zu Grunde zu fahren und auf Teufel komm raus, Erträge einzufahren. Die Landwirtschaft arbeitet schon immer in der Natur, mit der Natur und für die Natur. Wenn die Böden kaputt gefahren sind, die Luft verpestet ist und das Wasser verschmutzt ist, gehen die Erträge der kommenden Generation zu Grunde. Die heutige Landwirtschaft ist für die Umweltauflagen sehr offen und es ist wichtig, dass die Umsetzungen praxistauglich sind.

9. Welche konkreten Maßnahmen streben Sie an, um die Position der Landwirte zu stärken und die Entwicklung des Agrarsektors voranzutreiben?
Als Landwirtschaftskammer müssen wir viel eher Agieren und das Reagieren beibehalten. In den letzten Jahren konnte oft nur reagiert werden. Dies ist ganz klar zu spät. Wir müssen dem Glas eine Halterung geben, dass es nicht umfallen kann. Ganz klar reicht es nicht aus, einmal im Jahr zu den zuständigen Ministerien zu gehen und unsere Belange vorzutragen. Der Dialog zwischen dem Beruf, der Kammer und den zuständigen Behörden muss komplett überarbeitet werden. Dies ist aber auf dem richtigen Weg, es gilt jetzt die Richtung weiter zu treiben.

10. Wie werden Sie sich für die Interessen kleinerer landwirtschaftlicher Betriebe einsetzen?
Oft sind es die kleineren familiengeführten Betriebe, die in eine Nischenproduktion eingestiegen sind. Es wird sicher wichtig sein, genau diese Betriebe auch mit an Bord zu haben und nicht auf die Kante zu stellen. Wir müssen aufpassen, in Zukunft genau diese Betriebe nicht durch nationale Vorschriften vor den Kopf zu stoßen. In der aktuellen Zusammensetzung der Kammer sind wir sehr breit aufgestellt. Es ist wichtig, dass wir ein offenes Ohr für alle haben und dass alle Betriebssparten sich verstanden fühlen.