Wenn es summt und brummt

Die moderne Honigbiene, die vor etwa 10.000 Jahren ihren Siegeszug als Bestäuberinsekt begann, ist heute neben Rind, Schwein und Huhn eines der bedeutendsten Nutztiere des Menschen. Und nicht umsonst gehört die Imkerei mit all ihren Spezifikationen und Riten zur Landwirtschaft. Wie die Agrarwissenschaft ihr Augenmerk auf die landwirtschaftliche Produktion richtet, so beschäftigt sich die Apidologie mit der Erforschung der Bienen. Man muss allerdings mit einem Vorurteil aufräumen.

Die Gesundheit der Honigbienen im Fokus © Eickermann.

 

Das so genannte „Bienensterben“ hat es in Europa nie gegeben. Was in Nordamerika unter dem Schlagwort „Colony Collapse Disease“ firmiert, und einen fast schlagartigen Zusammenbruch der Honigbienenvölker im Herbst/Winter bezeichnet, ist auf Europa nicht übertragbar. Die Art der Imkerei unterscheidet sich signifikant zwischen beiden Kontinenten. Für die Amerikaner und Kanadier sind die Honigbienen zunächst Bestäuberinsekten, die den Ertrag in der Mandel- oder Blaubeerproduktion sichern. Und dort wird in der Imkerei auch das Geld verdient.

In Europa hingegen steht die Produktion von Honig, Pollen, Wachs und Co im ökonomischen Vordergrund. Für die Luxemburger Imkerei war 2013 das Annus horribilis (= das schreckliche Jahr) gekommen, dass knapp 30% der Bienenvölker im Land über den Winter hinwegraffte. Die Ursachen für diese Verluste wurden damals durch das Luxembourg Institute of Science and Technology im Rahmen des Forschungsprojektes BeeFirst erforscht. Dabei konnten eine Reihe von Faktoren identifiziert werden, die eine Sterblichkeit der Völker über Winter beeinflussten, darunter vorranging der Bienenparasit Varroamilbe (der auch Viruserkrankungen an die Bienen übertragen kann) und dessen Management durch die Imker, aber auch einzelne Landnutzungsformen, wie z.B. Industrieanhäufung im Süden des Landes. Ebenso fand sich ein Zusammenhang zwischen der Applikation eines Insektizids auf der Basis eines Neonikotinoids und einer erhöhten Sterblichkeit der Bienenvölker an einzelnen Standorten bei Applikationen direkt vor der Rapsblüte. Hier zeigte sich auch die Stärke des Projektes: im Zusammenspiel mit dem Landwirtschaftsministerium konnten zusätzliche Auflagen bei der Anwendung des Insektizids im Raps durchgesetzt werden.

BeeFirst wird seit 2011 immer wieder zyklisch verlängert, um der heimischen Imkerei Hilfestellung bei den Herausforderungen der modernen Bienenhaltung zu geben. Herausragend ist dabei das Zusammenspiel aus Forschung (LIST), der imkerlichen Praxis (Lëtzebuerger Landesverband fir Beienzuucht, FUAL) und den Verwaltungen (Administration luxembourgeoise vétérinaire et alimentaire, ALVA und Administration des Services Techniques de l'Agriculture, ASTA), die immer wieder gemeinschaftlich die Aktivitäten im Projekt BeeFirst neu justieren und koordinieren. In den letzten Jahren wurde daher der Einfluss der Agrarlandschaft auf die Bienengesundheit untersucht, die Belastung des von Bienen gesammelten Pollens durch Pflanzenschutzmittelrückstände, Schwermetalle und Pyrrolizidinalkaloide erfasst und auch das derzeit von den Imkerinnen und Imkern praktizierte Management der Varroamilbe wissenschaftlich bewertet. In enger Zusammenarbeit mit den Imkerinnen und Imkern, die landesweit unermüdlich Proben (Bienen, Pollen, Pollenbrot usw.) über die vielen Jahren gesammelt haben, konnten einzelne Einflussfaktoren auf die Bienengesundheit verifiziert werden.

Im Jahr 2014 hat die FUAL in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium die Stelle eines „Nationalen Imkerfachberaters“ geschaffen, dem die Ausbildung der Jungimkerinnen und -imker obliegt. Ihm stehen die Imkerkantonalvereine flankierend zur Seite. Daher ist derzeit die imkerliche Ausbildung mit rund 80 Praxiskursen pro Jahr landesweit gesichert. Lediglich in den COVID-Jahren 2020 und 2021 konnten leicht erhöhten Winterverluste der Bienenvölker festgestellt werden, was auf die ausgefallenen Praxiskurse zurückzuführen ist. Die Zukunft der Luxemburger Imkerei ist daher durch eine effektive Verknüpfung von Tradition und Fortschritt im Zusammenspiel aus Praxis, Beratung und Forschung gesichert.

Wie sieht es nun mit den so genannten Wildbestäubern aus? Seit einigen Jahren wird diskutiert, ob Honigbienen durch Nahrungskonkurrenz den Artenrückgang der Wildbestäuber (Hummel, Solitärbiene, Schmetterling & Co) befeuern können. Durch die Verarmung der Landschaft an blütenreichen Habitaten sind die Insekten massiv unter Druck geraten. Eine Vielzahl der Wildbestäuber ist auf Pollen und Nektar einiger weniger Nahrungspflanzen hoch spezialisiert. Naturschützer befürchten daher, dass die Wildbestäuber durch die massive Zunahme von Honigbienenvölkern verdrängt werden. Immerhin gehen Experten von rund 5.000 Quadratmetern blütenreicher Fläche pro Honigbienenvolk pro Jahr aus. Das entspricht bei rund 8.000 Bienenvölkern in Luxemburg ca. 4.000 ha Habitat voller Blüten mit Pollen und Nektar von März bis Oktober.

Derzeit gibt es eine Reihe von internationalen wissenschaftlichen Studien, die einen negativen Effekt der Honigbienen auf die Wildbestäuber in der Agrarlandschaft zeigen. Allerdings sind diese Studien nicht ohne weiteres auf Luxemburg übertragbar, da sich die landwirtschaftlichen Strukturen der untersuchten Regionen (USA, Südfrankreich, Dänemark etc.) erheblich unterscheiden. Umso erfreulicher ist es nun, dass das Ministère de l'Environnement, du Climat et de la Biodiversité auf der Basis des „Plan national d’actions pour la préservation des Insectes pollinisateurs“ den Startschuss für ein neues, dreijähriges Forschungsprojekt gegeben hat, in dem die Arbeitsgruppe Agro-Environmental System des LIST, das Naturmusée (MNHN), die Fondation Faune-Flore (FFF) und die FUAL zusammenarbeiten werden. Das Projekt “DESPOT – Erfassung von Honigbienenviren in Wildbestäuber-Populationen in Luxemburg” fokussiert dabei auf die Verbreitung und mögliche Übertragung von spezifischen Viren der Honigbiene (wie z.B. Flügeldeformationsvirus) auf die Populationen der Wildbestäuber. Als Hotspot dieser Virusübertragung gilt im Allgemeinen der gemeinsame Besuch von Blüten durch beide Bestäubergruppen. Die Wissenschaftler wollen sich vorrangig auf sechs Regionen mit artenreichen Habitaten, wie die Natura 2000 Gebiete in Luxemburg konzentrieren und dort Material von verschiedenen Wildbestäuberarten sammeln. Neben Hummel-Arten werden Gehörnte Mauerbiene und Hainschwebfliege mittels neuester molekularer Techniken auf Viruslast genauer untersucht werden. Ebenso soll Pflanzenmaterial gesammelt und auf Virusspuren analysiert werden.

Arbeiten am Versuchsbienenstand © Reiland.

 


Den Imkerinnen und Imkern kommt dabei eine besondere Aufgabe zu: an Bienenständen in oder benachbart zu den Natura 2000 Gebieten sollen Proben von Honigbienen entnommen und untersucht werden. Somit können wichtige Informationen zur aktuellen Ausbreitung des Flügeldeformationsvirus in Luxemburg aktualisiert werden. Die Ergebnisse aus DESPOT werden sowohl den politischen Entscheidungsträgern als auch den Imkerinnen und Imkern Hinweise geben, wie das Zusammenwirken zwischen Honigbienen und Wildbestäubern optimiert werden kann. Beide Bestäubergruppen sind von elementarer Bedeutung für die Ökosysteme und die Agrarproduktion in Luxemburg. Die politischen Entscheidungsträger bekunden dabei durch die Förderung der oben geschilderten Projekte, dass sie dem Schutz der Bestäuberinsekten nachkommen. Die dabei involvierten Institutionen vom Landesimkerverband bis zum Naturmusée werden bewahrend und gleichzeitig auch gestalterisch das Miteinander von Wildbestäubern und Honigbienen ermöglichen. Basierend auf der Fachkompetenz der LIST-Wissenschaftler werden neueste molekularen Methoden und chemische Analysen die Zusammenhänge aus Umweltfaktoren und ackerbaulichen, wie imkerlichen Praktiken entschlüsseln. Dadurch kann das LIST mit Fug und Recht als Herzkammer der Bienenforschung in Luxemburg bezeichnet werden.

BeeFirst wird durch das Ministère de l'Agriculture, de l'Alimentation et de la Viticulture finanziert. DESPOT wird finanziert durch das Ministère de l’Environnement, du Climat et de la Biodiversité. Wir danken zahlreichen Imkerinnen und Imker für die gute Zusammenarbeit bei der Daten-
erhebung und unseren Kooperationspartnern für das freundschaftliche Miteinander. Besonderer Dank geht an Herrn Francois Kraus (ASTA) und Herrn Dr. Carlo Georges (ALVA) für ihren jahrelangen Einsatz für BeeFirst.

 

Miteinander von Honigbienen und Wildbestäubern © Eickermann.

 

Michael Eickermann, Matteo Ripamonti & Jürgen Junk, LIST