Alcovit N° 514

Stallbau aktuell: (von Pit Bosseler)

Liegeboxen, der Arbeitsplatz der Kühe

Kühe liegen im Schnitt elf bis zwölf Stunden am Tag. Dabei sind sie nicht faul, sondern kauen wieder und erzeugen viel Milch. Damit sie das bestmöglich tun können, muss die Liegebox, also der Arbeitsplatz, so bequem wie möglich sein. Der erste und letzte Eindruck, den eine Kuh bei einer Liegebox erhält, entsteht beim Abliegen und Aufstehen. Schmerzhafte Zusammenstöße mit der Aufstallung sollten dabei nicht stattfinden. Liegeboxen müssen daher eine komfortable Liegemöglichkeit bieten und außerdem so dimensioniert sein, dass unbeeinträchtigtes Abliegen, Liegen und Aufstehen möglich sind. Nackenrohre und Bügel sollen positionieren, nicht einschränken.

Das oberste Ziel:
Entspannt liegen und wiederkauen
Dazu ist die Brustlage nötig, die Kühe überwiegend einnehmen wollen. Dabei liegt das Hinterteil schräg, während die Tiere vorne mit der Brust eine aufrechte Haltung einnehmen. Gerne strecken Kühe dabei ein Vorderbein aus, um sich abzustützen, anstatt sich mit Muskelkraft in Brustlage zu halten. Die Kuh kann das Vorderbein in der Liegebox aber nur ausstrecken, wenn sie keine Bugbegrenzung daran hindert. Liegen mindestens 10 Prozent der Kühe mit ausgestrecktem Vorderbein in der Box, ist alles in Ordnung. Sind es weniger, muss nicht nur von kürzeren Gesamtliegezeiten ausgegangen werden, sondern auch davon, dass die Kühe nicht unverkrampft liegen. Dabei steigt das Risiko von Liegeschäden. Dafür ist nicht nur die erhöhte Reibung verantwortlich, sondern vielmehr eine Überbeanspruchung der, mangels Liegepositionswechsel vermehrt belasteten Druckbereiche an den Gelenken. Druck führt zu Mangeldurchblutung und hat eine schlechte Versorgungslage der Haut zur Folge. Wenn zunächst nur wenige Haare fehlen, ist das noch nicht problematisch. Folgen jedoch Schürfungen bis hin zu Geschwüren, dann sind dies ernstzunehmende Verletzungen, die außerdem eine Abwärtsspirale mit weiteren Erkrankungen einleiten können. Schwierig wird es vor allem dann, wenn auch noch Feuchtigkeit mit ins Spiel kommt und dadurch die Haut zusätzlich aufweicht.

Die Idee, die Sauberkeit in der Liegebox durch eine möglichst streng positionierte Bugschwelle zu verbessern, ist ein Trugschluss. Wenn die Liegefläche zu kurz ist, führt dies nämlich meist dazu, dass Kühe schräg liegen, besonders dann, wenn das Vorderbein nicht bequem ausgestreckt werden kann. Damit erhöht sich die Gefahr, dass die Tiere zum Teil unter dem Trennbügel zum Liegen kommen. Aus dieser Position fällt das Aufstehen schwer. Daher koten die Kühe vermehrt vor dem Aufstehen ab und zwar tendenziell unter dem Trennbügel oder sogar in der benachbarten Liegebox.

Nackensteuer sorgt für saubere Liegeboxen
Saubere Liegeboxen erzielt man über das Nackensteuer, nicht über eine Bugschwelle. Liegende Kühe benötigen keine Schwelle nach vorne, wenn die Liegefläche bequem ist und Liegepositionswechsel möglich sind. Das Nackensteuer lenkt die Tiere beim Betreten und Verlassen der Liegebox. Es sollte flexibel ausgeführt sein und keine Doppelfunktion haben, zum Beispiel zusätzlich die Trennbügel zu stabilisieren. Ist ein Nackensteuer flexibel, kann man es an die Durchschnittsgröße der Herde anpassen. Es lenkt je nach Situation an unterschiedlichen Körperteilen der Kuh:
• beim Aufstehen im Bereich Widerrist und Rücken,
• beim Stehen in der Liegebox an der Brust und am Bug.
Darin liegt der besondere Nutzen: Wenn das Nackensteuer nachgibt, kommt es bei niedriger Positionierung zu keiner Verletzungsgefahr. Unabhängig von der Körpergröße innerhalb der Herde werden alle Tiere zudem zuverlässig und frühzeitig im Aufstehvorgang gesteuert und dazu animiert, zum Abkoten nach dem Aufstehen einen Schritt nach hinten aus der Liegebox zu treten.

Stehende Tiere werden hingegen an Brust und Bug nach vorne begrenzt und haben so die Möglichkeit, mit gerader Kopfhaltung in der Box zu stehen, welche eine Voraussetzung für das Wiederkauen im Stehen ist. Damit die Tiere in der Liegebox nicht nur liegen, sondern auch mit allen vier Klauen innerhalb der Box stehen können, sollte das Nackensteuer folglich 85 bis 90 cm Höhe über der Standfläche der Tiere angebracht sein. Die Position diagonal zur Kotschwelle oder Kante beträgt dann rund 180 bis 185 cm.

Das Einstreumaterial, die Qual der Wahl
Die Wahl des idealen Einstreumaterials für Liegeboxen ist von vielen Faktoren abhängig. Der Kuhkomfort sollte an erster Stelle stehen, aber auch der Komfort für den Landwirt und der Arbeitsaufwand sollte nicht außer Acht gelassen werden. Eine große Rolle spielen die Art der Liegeboxen sowie die lokalen Kosten und die Verfügbarkeit der jeweiligen Einstreuprodukte.

Oftmals stehen verschiedene Ziele im Widerspruch zueinander, so kann beispielsweise die beste Einstreumethode zur Bekämpfung von Lahmheiten, der Sauberkeit des Euters abträglich sein. Es wird also immer ein Kompromiss zwischen Kuhkomfort, Hygiene und Arbeitsaufwand notwendig sein, um das jeweils zum Betrieb passende Einstreumaterial zu finden. Mit der Einstreu soll der Keimgehalt in den Boxen niedrig gehalten und Infektionen der Kühe vermieden werden. Hauptfeinde sind Escherichia coli und der „Umwelterreger“ Streptococcus uberis. Letzterer vermehrt sich besonders in feuchter und verschmutzter Einstreu. Die beiden Keime brauchen zur Vermehrung Temperaturen zwischen 15 - 45 °C. E. coli, benötigt einen pH-Wert über 8, Streptococcus uberis einen pH von über 9,6. Der Keimgehalt erreicht sein Maximum nach frischer Einstreu in 2 - 3 Tagen, unabhängig vom Einstreumaterial.

Eine Hochbox, bestehend aus einem Betonsockel und einer darauf liegenden weich-elastischen Matratze, benötigt auch immer Einstreu, die Flüssigkeiten (Milch, Kot, Harn und Schweiß der Kuh) binden kann. Wird die Flüssigkeit nicht aufgenommen, so kommt es zu Haarausfall und Irritationen der Haut, die damit ihre natürliche Schutzfunktion nicht mehr wahrnehmen kann. In der Folge kommt es insbesondere an den Gelenken zu Verletzungen.

Häufig verwendete und bewährte Materialien sind gehäckseltes Stroh, Sägemehl oder Kalkgemische. Auch Strohmehl oder gemahlene Strohpellets sind eine mögliche Option. Da reiner Kalk leicht zu Hautirritationen führt (er trocknet die Haut aus, es kommt zum Haarausfall), ist eine Mischung mit anderen Materialien ratsam. Hochboxen sollten mindestens zwei Mal pro Tag gepflegt werden. Zum einen ist hierbei die Entfernung von Kothaufen wichtig, zum anderen ist das Einstreuen der gesamten Liegefläche von großer Bedeutung. Da die meisten Einstreumaterialien schlecht an den Boxenbelägen haften, kann ein ein- bis zweimal tägliches Einstreuen notwendig sein.

Je nach Härte, Feinheitsgrad und Feuchtigkeitsgehalt des jeweiligen Einstreumaterials kommt es in Kombination mit den synthetischen Belägen zu Schmirgelwirkungen, insbesondere an den Gelenken. Zur Überprüfung kann man eine Reibeprobe mit Einstreumaterial auf dem eigenen Handrücken durchführen. Sägespäne haben einen extremen Schmirgeleffekt, daher sind Produkte aus Weichhölzern (meist Nadelhölzer) geeigneter als welche aus Harthölzern (z.B. Buche oder Eiche).

Haben sie die Wahl, legen sich Kühe häufiger und länger in, mit viel Material eingestreuten, Tiefboxen hin als auf weichen Gummimatten. Dazu kommt, dass in Tiefboxen Sprunggelenksverletzungen weniger häufig vorkommen und weniger schwer verlaufen.

Bei Tiefboxen müssen zunächst die Matratzen aus organischem Material aufgebaut werden, diese entstehen nicht mit der Zeit von selbst. Wird das nicht beachtet, kann es leicht zu Schäden, beispielsweise an den Karpalgelenken kommen. Zur Auswahl stehen verschiedene Materialien (Stroh, Sand, Sägespäne, separierte Gülle/Gärsubstrate, Pellets) die zum Teil auch kombiniert werden können. Dabei ist wichtig, dass verschiedene Materialien gleichmäßig vermischt und vor allem effektiv verdichtet sind.

Bestehende Liegeboxen optimieren
Wenn Kühe nur mit zwei Beinen in der Box stehen, sich ungern ablegen, Verletzungen an den Gelenken zeigen oder aufstehen wie ein Pferd, sollten Sie die Liegeboxen überprüfen.

Um die Boxenmaße an die Größe der Kühe anzupassen, kann das Nackenrohr erhöht, durch ein gewelltes Nackenrohr oder einen fest verschraubten Spanngurt ersetzt werden.

Hochboxen können durch Aufkanten zu einer hochgelegten Tiefbox mit einer trittfesten -Matratze umgebaut werden. Das verbessert Kuhkomfort und die Gelenkgesundheit.