Alcovit N° 513

Stallbau aktuell: (von Pit Bosseler)

ALB-Fahrt: „Zukunftskonzepte“ (2)

Die ALB-Lehrfahrt führte durch Baden-Württemberg zum Bodensee bis in die Schweiz. Rund 50 Teilnehmer, darunter Landwirte, Berater, Bauingenieure und landwirtschaftliche Auszubildende nahmen an der interessanten Lehrreise teil. Insgesamt standen 6 landwirtschaftliche Betriebe und die Produktionsstätte der Firma Förster auf dem Programm. Die Alcovit-Redaktion war wie jedes Jahr mit an Bord und stellt Ihnen die Betriebe in einer kurzen Reportage vor.

 

Fortsetzung:

Swiss Future Farm
Als Projekt des Kantons Thurgau mit AGCO und GVS Agrar AG sollte die „Swiss Future Farm“ am Agroscope-Standort Tänikon ein europaweit einzigartiger Anschauungsbetrieb für Smart-Farming-Technologien werden.

Agroscope forscht auf der Swiss Future Farm unabhängig mit den verschiedensten Partnern im Bereich der Smart-Farming-Technologien. Die Digitalisierung hat die Landwirtschaft erreicht und sorgt für einen großen Wandel in der Produktion von Nahrungsmitteln. Mit innovativen Technologien werden neue Wege eingeschlagen und verschiedene Arbeitsbereiche optimiert. Die drei Projektpartner AGCO Corporation, GVS Agrar AG und Arenenberg nehmen mit der Swiss Future Farm (SFF) die Chancen der Digitalisierung wahr und zeigen mit praxisnahen Versuchen den Nutzen für die Landwirtschaft. Die gemeinsame Arbeit eröffnet neue Synergien für Forschung, Bildung und Technik. „Wir sind ein Ort der Begegnung und des Austausches: Für Schülerinnen und Schüler, Lernende, Fachpersonen und auch Konsumentinnen und Konsumenten“, so die Vortstellungsworte des aktuellen Leiters. Denn neben der Bearbeitung von Forschungsfragen in Zusammenhang mit digitaler Landwirtschaft ist die Wissensvermittlung ein wesentlicher Bestandteil der Swiss Future Farm. Und die Swiss Future Farm ist ein landwirtschaftlicher Betrieb mit einer langen Geschichte. Den landwirtschaftlichen Betrieb in Ettenhausen Tänikon kennen viele noch als Teil der schweizerischen Bundesforschung Agroscope. Eine Strukturreform der Bundesforschungsanstalten in der Schweiz bedeutete für die frühere Forschungsanstalt Tänikon zunächst das Aus. Diese Lücke wollten die Verantwortlichen des BBZ Arenenberg, dem agrarischen Bildungs- und Beratungszentrum des Kantons Thurgau, mit einem völlig neuen Ansatz schließen. Da vereinbarten Sie mit zwei kommerziellen Partnern aus der Agrartechnikbranche, der AGCO Corporation und der GVS Agrar AG eine Kooperation zum Aufbau eines Demonstrationsbetriebs für nichts weniger als die Landwirtschaft der Zukunft. So entstand die Swiss Future Farm. Die offizielle Eröffnung erfolgte am 20. September 2018. Bereits davor und seitdem wurden viele verschiedene Projekte in Angriff genommen und die Kooperation mit weiteren Partnern vertieft. Zu den potenziellen Vorteilen der Swiss Future Farm gehört, dass die smarte Bewirtschaftung sich nicht auf den Acker beschränkt. Zum Betrieb gehört auch eine Milchvieh- und eine Zuchtsauenherde.

Emissionsstall von Agroscope
Die Haltung von Nutztieren bringt Emissionen in Form von Ammoniak und Treibhausgasen wie Methan, Lachgas und Kohlendioxid mit sich. Mit dem Versuchsstall für Emissionsmessungen werden innovative Maßnahmen zur Emissionsminderung weiterentwickelt und deren Minderungspotenzial überprüft.

Um die Emissionen gemäß den Umweltzielen und der Klimastrategie Landwirtschaft zu senken, gilt es, für Milchviehställe praxistaugliche Maßnahmen zu entwickeln. Dazu hat Agroscope in Tänikon auf dem Betriebsgelände Waldegg einen Versuchsstall gebaut, der im Sommer 2015 in Betrieb genommen wurde.

Der Emissionsversuchsstall ist als Liegeboxenlaufstall für Milchvieh angelegt. Er besteht aus zwei Versuchsbereichen für je zwanzig Kühe sowie einem Mittelteil für das Melken und die Technik. Die beiden räumlich getrennten Stallbereiche ermöglichen vergleichbare Versuchsbedingungen im Praxismassstab. Dank modulartiger Bauweise und unterschiedlichen Bodenelementen können bauliche, verfahrenstechnische und organisatorische Minderungsmaßnahmen realisiert werden: Stallkonzept, optimierte Entmistung, Laufflächengestaltung mit raschem Harnabfluss, Fressstände etc. Die Bestimmung der Emissionen erfolgt mit einer speziellen Tracer-Ratio-Methode für frei belüftete Ställe, die Agroscope zusammen mit der Empa entwickelte. Bei vergleichenden Untersuchungen im flexiblen Emissionsversuchsstall ist der Aufwand für Personal, Arbeitszeit und Material weitaus geringer als bei Emissionsmessungen auf Praxisbetrieben. Weiter kann auf Praxisbetrieben weder die Vielfalt der Varianten realisiert noch diese mit der erforderlichen Systematik untersucht werden. Versuchsbedingt notwendige Eingriffe in das Betriebsmanagement sowie die schrittweise Entwicklung von Maßnahmen sind Betriebsleitenden von Praxisbetrieben mit Blick auf Risiken und Unvorhergesehenes nicht zumutbar. Der Emissionsversuchsstall ermöglicht wissenschaftlich fundierte Forschung und dient gleichzeitig als Anschauungsobjekt für praxistaugliche innovative Lösungen. Zudem sind weitere Untersuchungen (Senkung der CH4-Emissionen über Fütterung, Emissionen bei Stall- und Weidehaltung, NH3-Nahdeposition, Stoffflusseffizienz, Verfahrenstechnik, Energieeinsparung, Bauwesen, Ethologie etc.) auch mit anderen Tierkategorien geplant.

Betrieb Senn
Martin Senn kümmert sich um 20 Jersey-Milchkühe, 30 Rinder, die Alpwirtschaft und seinen Wald. Von seinen 28 Hektar kann er 19 als Futterfläche nutzen. Die Alp misst 54 Hektar. „2007 kamen die ersten Jersey auf unseren Betrieb“, erzählt er. „Damit gehörte ich zu den ersten in der Schweiz, die diese Tiere anschafften. Ein Herzenswunsch ging in Erfüllung.“ Mit dieser Ausrichtung ist er heute erfolgreich. Das war aber nicht immer so, denn der Milchpreis machte ihm immer weniger Hoffnung. Vor acht Jahren war er deshalb nahe daran, die Milchwirtschaft aufzugeben. Genau in diesem Moment telefonierte Willi Schmid von der Städtlichäsi in Lichtensteig SG, weil er Jerseymilch suchte. Es war der Beginn einer erfolgreichen Zusammenarbeit. „Wir hatten riesiges Glück, dass wir einen Verarbeiter fanden, der gewillt ist, uns einen fairen Preis zu bezahlen.“ Der Landwirt liefert hochwertige Milch, der Käser verarbeitet sie zu Käsespezialitäten: Damit haben Martin Senn und Willi Schmid einen Weg gefunden, um für beide einen Mehrwert zu generieren. Landwirt und Käser haben sich auf die Fahne geschrieben, diese Milch mit größtem Respekt zu behandeln. Ihre Qualitätsstrategie beginnt auf dem Egghof von Martin Senn auf 850 Meter über Meer. „Die Milchproduktion ist meine Leidenschaft“, erzählt Martin Senn. „Wir haben mit unserem Futterangebot ideale Voraussetzungen dafür. Die Kühe sind bei mir entweder am Tag oder in der Nacht draußen und suchen ihr Futter selber.“ Beim Melken macht er keine Kompromisse. Sind die Werte zum Beispiel bei den Zellzahlen unbefriedigend, so liefert er die Milch nicht ab. Normalerweise aber fährt er dreimal pro Woche die rund 20 Kilometer in die Städtlichäsi von Willi Schmid in Lichtensteig SG. Der Käser übernimmt die Milch von drei Jersey-Bauern, total rund 250.000 Kilo pro Jahr. Was Schmid aus dieser Milch macht, begeistert Feinschmecker auf der ganzen Welt. Ungefähr 35 Tonnen Käsespezialitäten stellt er her. Vor allem der Jersey Blue, aber auch der Mühlistein ist bei den Konsumenten gefragt und geschätzt. „Mit der gehaltvollen Jersey-Milch entstehen Käse, die ein einmaliges Geschmackserlebnis ermöglichen“, sagt er.

„Das schätzen die Konsumenten, auch wenn unsere Produkte teurer sind als andere. Besonders daran ist zudem, dass diese Käse sortenrein sind und manchmal sogar aus der Milch eines einzigen Bauern bestehen.“ Vom daraus resultierenden Mehrwert profitieren alle auf der kurzen Produktionskette. Der Milchbauer und der Käser verstehen sich gut, kennen die Arbeit des anderen und zeigen dafür großen Respekt und Wertschätzung. Darin sehen die beiden die Grundlage für ihre erfolgreiche  Geschäftsbeziehung. „Eine wichtige Voraussetzung ist zudem, dass beide ihre Arbeit mit Herzblut erledigen“, betonen die beiden.

Eine etwas ungewöhliche Art des Futterbeischiebens: Im Versuchsstall wird mit Hilfe des Anhebens einer Plane das Futter angeschoben.

 

Die Jersey-Kühe am Betrieb Senn werden ausschließlich mit Heu aus der hofeigenen Trocknungsanlage gefüttert, um eine möglichst gute Milchqualität zu liefern.

 

Der Jersey Blue von Willi Schmid ist der König unter den Blauschimmelkäsen. Er schmeckt sehr edel und ausgewogen. Er hat ein unverwechselbares, herrlich nussiges Aroma mit leicht rauchiger Note. Der Teig ist weich, sehr cremig und hat eine gelbliche Farbe: Es ist das Merkmal der Jersey Milch mit ihrem hohen Betakarotin Gehalt.

 

"Der Stall ist im Baukastensystem angelegt", sagt Sabine Schrade vom Projektteam. Das heißt, die beiden Stallabteile lassen sich flexibel variieren. So können unterschiedliche Stallkonzepte untersucht werden, zum Beispiel mit Laufhöfen, die im Stall integriert oder angebaut sind oder mit verschiedenen gestalteten Fress- und Laufbereichen. Da letztere unterkellert sind, ist es möglich, auch perforierte Böden einzurichten.

 

Die CowToilette ist ein innovatives System, das entwickelt wurde, um Kuhurin zu sammeln und von Festmist zu trennen. Auf der Swiss Future Farm wird nun in der Praxis geprüft, welchen realen Vorteil das System der Umwelt bieten kann.