Die ALB-Baulehrfahrt 2023
Exkursion für Milchviehhalter - Eine Zukunft mit Herausforderungen
Stallbau aktuell: Landwirtschaft in der Mitte Deutschlands
Die Arbeitsgemeinschaft Landtechnik und Bauwesen Rheinland-Pfalz/Saarland e.V. startete am 14.09.2022 ihre 2-tägige-Exkursion für Milchviehhalter. Ziel der diesjährigen Exkursion war der Norden Deutschlands mit dem Endziel Rotenburg (Wümme). Mit dabei waren neben aktiven Milchviehhaltern auch Berater verschiedener Einrichtungen und Firmen. Unter der Thematik „Eine Zukunft mit Herausforderungen“ wurden vier Betriebe besichtigt. In dieser Alcovit Ausgabe gehen wir genauer auf die beiden am zweiten Tag durchgeführten Betriebsbesichtigungen ein.
Benninghoff MilchEnergie – Milch aus Leidenschaft
Der Betrieb liegt in Bevern in Niedersachsen, eine gute Stunde von Hamburg entfernt. Es werden 1.100 Kühe gemolken mit einer Jahresleistung von 11.800 kg Milch. Zum Betrieb gehört außerdem eine Biogasanlage mit 460 kW, die nur mit Gülle betrieben wird. Das Futter für die Kühe wird auf 574 ha angebaut, davon sind ca. 370 ha Acker. Auf den Ackerflächen wird auf eine Fruchtfolge verzichtet und ausschließlich Mais angebaut.
„Jede einzelne Kuh hat bei uns einen hohen Stellenwert“, so lauten die Begrüßungsworte von Marc Benninghoff, Inhaber und Betriebsleiter, der uns vor einem der imposanten Stallgebäuden empfängt. Marc Benninghoff, erläuterte uns die Entwicklung des Betriebes, den er 2001 nach dem frühen Tod seines Vaters übernommen hatte. Sein Vater hatte den Betrieb im Jahre 1976 ausgesiedelt und dabei für 75 Kühe gebaut. 2005 kam dann der erste große Schritt auf 400 Kühe, im gleichen Zug wurde ein Doppel 16er Fischgrätenmelkstand gebaut. In 2008 folgte dann der nächste Schritt auf 500 Kühe. Der letzte große Bauabschnitt wurde 2016 vollbracht, von da an war auf dem Betrieb Platz für 1273 Milchkühe. Damit war das Maximum an Milchkühen an diesem Standort erreicht. Es folgten noch fünf Kälberställe, die ab 2020 bezogen werden konnten.
Während wir neben Betriebsleiter Marc Benninghoff durch den ersten Stall entlang des Futtertischs liefen erklärte er uns, dass er zusammen mit dem Herdenmanager, an einigen Schrauben im System drehen musste, sodass sie die Leistung der Herde auf beeindruckende 12.600 kg Milch pro Kuh und Jahr steigern konnten. Dafür setzen sie zum einen auf eine ausgefeilte Fütterung, auf der anderen Seite haben die beiden das Controlling von Fütterung und Herdenmanagement optimiert. Er fügte aber auch hinzu, dass die Leistung ein wenig nach oben korrigiert ist, da sie aktuell z.B. nur 9 Kühe mit weniger als 25 kg Milchleistung melken. Dies kommt dadurch, dass im Betrieb die Kühe aufgrund einer zeitigen Besamung früh trockengestellt werden müssen. Dadurch werden auch teilweise Kühe mit 30 kg Milch trockengestellt. Außerdem werden Schlachtkühe ebenfalls früh verkauft, bevor sie unter die von Benninghoffs gesetzte Grenze von 25 kg Milch fallen.
Fütterung der Milchherde
Gefüttert wird einmal am Tag, immer von derselben Person. Im Verlauf des Tages schieben die Mitarbeiter die Ration alle eineinhalb Stunden an. Nachts wird das Futter einmal vor der Melkschicht und während des Melkens dreimal nachgeschoben.
Die Kontrolle der Fütterung erfolgt regelmäßig. Einmal in der Woche wird die Futteraufnahme über die Bestimmung der Restmengen kontrolliert. Die Futterreste liegen bei rund 5%, bei Frischmelkern und den Close-Ups noch etwas mehr bei 7%.
„Wir wissen ganz genau, was in der Ration drin ist und was an Milch und Inhaltsstoffen im Tank ankommt.“, fügt Benninghoff hinzu.
Kälberhaltung und Aufzucht
Dadurch, dass von den Kälberställen fünf identische Stallungen zur Verfügung stehen ist das Arbeiten nach dem Rein-Raus-Verfahren möglich. Es ist immer ein Stall leer zur Reinigung und Desinfektion und in einem Stall wird neu eingestallt. Die anderen drei Ställe sind voll belegt mit Kälbern, die während der gesamten Tränkezeit im PenSystem von Holm&Laue aufgestellt sind. In diesem System sind die Kälber in Einzelboxen gehalten, ein Kontakt zum Boxennachbarn wird durch Öffnungen in den Seitenwänden sichergestellt. Zusätzlich zur ad libitum Tränke mit aufgewerteter Vollmilch bekommen die Kälber immer Müsli und Wasser zur Verfügung gestellt. Marc Benninghoff ist sich über die Problematik der langen Einzelhaltung im Klaren und wartet darauf, dass Holm&Laue eine praktikable Lösung entwickelt, damit die Zwischenwände problemlos rausgenommen werden können. Nach neun Wochen kommen die Kälber in Gruppen auf Stroh zusammen.
Zukünftig steht im Betrieb Benninghoff MilchEnergie die Umstellung auf ein neues Melksystem an. Jedoch ist der Betriebsleiter sich noch nicht sicher, auf welches System in Zukunft gesetzt werden soll. Bezüglich der Herdengröße ist der Standort ausgereizt.
Zuchtbetrieb Bielefeld – Dalvers
Als letztes wurde der Betrieb der Familie Bielefeld in Niedersachsen besichtigt. Der Milchviehbetrieb melkt heute rund 400 Milchkühe im Zuchtgebiet der OHG und bewirtschaftet 250 ha Fläche.
Die 250 ha teilen sich in 100 ha Grünland und 150 ha Ackerland, wovon auf 120 ha Silomais angebaut wird. Die Flächen liegen sehr arrondiert um den Betrieb, die weiteste Hof-Feld-Entfernung beträgt 6 km. Die Arbeit in der Außenwirtschaft wird weitestgehend durch ein Lohnunternehmer übernommen.
Neben den zahlreichen Holstein-Milchkühen werden auch 400 Kälber und Rinder auf dem Betrieb gehalten. Die Familie behält 60% der Nachzucht. Sie sehen darin den Vorteil der besseren Selektionsmöglichkeit. Außerdem verkaufen sie als Zuchtbetrieb auch einen Teil ihrer Nachzucht auf den monatlichen Tierauktionen des Zuchtverbandes.
Moderne und innovative Gebäulichkeiten
Gemolken wird auf dem Betrieb in einem Doppel 16er Fischgrätenmelkstand mit Schnellaustrieb. Der Melkstand wurde 2008 mit einem neuen Melkzentrum gebaut. Direkt hinter dem Melkstand befinden sich ein Wartehof und der Strohbereich für die Frischabkalber. Eine Besonderheit am Melkzentrum ist der komplett unterkellerte Melkstand. Dies war der Familie beim Bau wichtig, weil sie den Lärmpegel beim Melken geringhalten wollten, indem die ganze Technik im Keller verbaut wurde. Außerdem kann der Milchkontrolleur die Proben von unten nehmen und der Arbeitsbereich beim Melken ist somit frei und kann ungestört weiterlaufen.
2008 wurde, durch eine Stallerweiterung die Herde um 130 Kühe auf 330 Kühe aufgestockt. Den nächsten Schritt machte Familie Bielefeld 2016 mit dem Bau eines neuen Trockensteherstalls. Dadurch gewannen sie im Stall für die laktierenden Kühe nochmal 70 Kuhplätze dazu. Der moderne Trockensteherstall in mit großzügigen Tiefstreuboxen ausgestattet, indem die Gruppenabkalbungen stattfinden.
Die Kälber und die Rinder bleiben bis sie tragend sind auf dem Betrieb in den Altgebäuden, die mittlerweile weitestgehend modernisiert wurden, untergebracht. Sobald sie tragend sind, werden die Rinder in einem 2 km entfernten Stall ausgelagert.
2014: BHV-1 Einbruch
Im Jahr 2014 hat die Familie ihre gesamte Herde aufgrund eines BHV1-Einbruchs merzen müssen. Ein paar züchterisch wertvolle Tiere konnten noch nach Polen und England verkauft werden, der Rest musste jedoch geschlachtet werden. Daraufhin stand der Stall der Familie Bielefeld vorerst sechs Wochen leer, bis die ersten Tiere wieder einzogen. Durch die gute Zusammenarbeit mit vielen Zuchtbetrieben in Deutschland, konnte eine neue Herde zusammenstellt werden, mit der seit 8 Jahren wieder intensiv gezüchtet wird. Auch probiert die Familie aus alten Kuhfamilien des Betriebes Tiere zurückzukaufen. Die Kosten für die neuen Tiere, die ab Stall oder auf der Auktion, gekauft wurden übernahm die Versicherung. Die Folgen des BHV1- Einbruchs sind aber immer noch spürbar. So ist die Abkalbung noch immer recht saisonal geprägt und die Remontierungsrate zurzeit etwas höher.
In Zukunft möchte der Betrieb, nach eigenen Aussagen, nicht mehr weiterwachsen. Die Familie hat sich als Ziel genommen, weiterhin ein Familienbetrieb zu bleiben und das Ganze ohne Fremdarbeitskräfte, abgesehen von Auszubildenden, zu stemmen. Zudem liegt das Interesse der jüngeren Generation auch in der Zucht, so wird in Zukunft auch öfters auf den Embryotransfer zurückgegriffen und die Bielefelds wollen eher in Qualität investieren anstatt in Quantität. Im Vordergrund des Betriebes soll das Wohlbefinden der 400 Milch-Kühe und deren weiblicher Nachzucht stehen.